Nach internationalem Appell für Waffenstillstand: Warum Israel und die Hisbollah trotzdem weiterkämpfen

Gershon Baskin

Gershon Baskin

Gershon Baskin shares with Thomas Seibert of Tagesspiegel that Israel would not be able to crush Hezbollah and Hamas by continuing the wars in Lebanon and Gaza and that People who believe that God has ordered them to die as martyrs will not capitulate.

Der Aufruf westlicherund arabischer Staa-ten für eine Waffen-ruhe im Libanon istgescheitert. Israels Luftwaffe setzte auf Befehl von Mi-nister präsident Benjamin Netanjahu ihre Angriffe auf die Hisbol-lah fort. Die israelische Armee bombardierte einen südlichenVorort von Beirut, um einen hoch-rangigen Kommandeur der Milizzu treffen. Die Hisbollah schosslaut Israels Armee Raketen ausdem Libanon auf Israel ab.

Die USA und elf europäischeund arabische Partner – darunterDeutschland, die EU und die arabi-sche Führungsmacht Saudi-Ara-bien – hatten in der Nacht zu Don-nerstag nach Beratungen bei derUN-Vollversammlung in New York eine sofortige 21-tägige Waffenru-he“ an der israelisch-libanesi-schen Grenze verlangt. In dieserZeit solle der Konflikt zwischen Is-rael und der Hisbollah beigelegtund zudem eine Feuerpause zwi-schen Israel und der Hamas im Ga-za-Krieg vereinbart werden.

Der Appell soll verhindern, dassIsrael in den Libanon einmar-schiert. Und damit der Iran alsPartner der Hisbollah sowie west-liche Länder als Verbündete Isra-els in den Krieg hineingeraten. ImLibanon bricht die Hölle los“, sagteUN-Generalsekretär António Gu-terres. Seit Wochenbeginn wur-den bei den Luftangriffen Israelsnach libanesischen Regierungsan-gaben über 600 Menschen getötetund Zehntausende vertrieben.

In ihrem Appell werben die USA und ihre Verbündeten für die Um-setzung einer UN-Resolution, dienach dem letzten Krieg zwischen Israel und der Hisbollah im Jahr 2006 den Rückzug der Miliz ausdem Grenzgebiet angeordnet hat-te. Die Gruppe schickte trotzdemTruppen und Waffen in die Gegendund schießt seit Beginn des Gaza-Krieges vor knapp einem Jahr fasttäglich Raketen auf Israel. Zehn-tausende Israelis wurden aus dem Grenzgebiet vertrieben. Israel be-gründet seine Luftangriffe damit,dass die Hisbollah von der Grenzezurückgedrängt werden soll.

Libanons MinisterpräsidentNadschib Mikati begrüßte den in-ternationalen Appell und sagte, erhoffe auf ein baldiges Ende derKämpfe. Regierung und Armee imLibanon haben jedoch keinen Ein-fluss auf die Hisbollah, die mitzehntausenden Kämpfern und Ra-keten wesentlich stärker ist als diestaatlichen Streitkräfte und auchin der libanesischen Politik einewichtige Rolle spielt.

Netanjahu ließ erklären, er habenoch nicht auf den Appell geant-wortet. Vorerst gingen die Gefech-te gegen die Hisbollah „mit vollerKraft“ weiter. Außenminister Isra-el Katz erklärte: „Es wird keineFeuerpause im Norden geben.

Kurz darauf griff ein israelischerKampfjet in Dahijeh an, einemsüdlichen Vorort von Beirut, derals Hochburg der Hisbollah gilt.Der Nachrichtenagentur AFP zu-folge wollte Israel mit dem Luftan-griff Mohammad Srour töten, denChef der Hisbollah-Drohnenflotte.Bislang ist nicht bekannt, ob Srourden Angriff überlebt hat. Israelhatte in den vergangenen Tagenmehrere hochrangige Hisbollah-Funktionäre mit Luftschlägen ge-tötet. Israels Verteidigungsminis-ter Yoav Gallant sagte, Hisbollah-Kämpfer würden „eliminiert“.

Kritiker Netanjahus sagten, Israel werde die Hisbollah und dieHamas mit einer Fortsetzung derKriege im Libanon und Gaza nichtzerschlagen können.

„Leute, dieglauben, dass Gott ihnen befohlenhat, als Märtyrer zu sterben, wer-den nicht kapitulieren“

, sagte derisraelische Hamas-Experte undfrühere Geisel-Unterhändler Gershon Baskin dem Tagesspiegel.

Aus den Reihen der Hisbollahverlautete nach Medienberichten,sie sei bereit zu einer Lösung, dieein Ende der Gefechte im Libanonund in Gaza bringe. Eine offizielleReaktion der Miliz gab es aller-dings bisher nicht.

Die Hisbollah und ihre Schutz-macht Iran sind nach Einschät-zung von Experten grundsätzlichzu einer Feuerpause bereit, umsich nach der Zerstörung von Ra-ketendepots und Abschussram-pen bei den Luftangriffen der ver-gangenen Tage vor weiteren An-griffen der militärisch überlege-nen Israelis zu schützen.„

Die Hisbollah hat immer nochein riesiges Waffenarsenal, das siegegen Israel einsetzen könnte“,sagte Julien Barnes-Dacey von dereuropäischen Denkfabrik ECFRdem Tagesspiegel. Er meint: Dass die Hisbollah diese Mittel derzeitnoch schone, liege nicht an man-gelnden Kapazitäten, sondern da-ran, dass sie einen großen Krieggegen Israel nach wie vor vermei-den wolle. Das sei im strategischenInteresse der Miliz. Ihre bestenWaffen, darunter Fateh-110-Len-kraketen mit einer Reichweite von 300 Kilometern, habe die Hisbol-lah bisher kaum eingesetzt.

Für den Iran geht es vor allemdarum, die militärischen Kapazi-täten der Hisbollah möglichst in-takt zu halten, weil die Miliz alsAbschreckungsinstrument gegenmögliche Angriffe auf den Iranselbst dient. Irans Führung äu-ßerte sich nicht direkt zu dem in-ternationalen Appell, wollte aberkein Öl ins Feuer gießen. Präsident Massud Peseschkian sagtelaut Staatsmedien am Rande derUN-Vollversammlung, sein Landhabe sich in den Konflikten in Ga-za und im Libanon bisher zurück-gehalten und wolle keine weitereEskalation.

PDF After international appeal for ceasefire: Why Israel and Hezbollah continue to fight

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Categories: Interviews

Thomas Seibert

Thomas Seibert

Thomas Seibert is the current affairs correspondent of Der Tagesspiegel specializing in analysis of Turkish and Middle East issues.